
Kulturelle und agile Transformation in der Lebensversicherung als Antwort auf die Digitalisierung und ein verändertes Kundenverhalten
Die Lebensversicherungsbranche steht vor vielfältigen Herausforderungen. Reflexartig denken viele hierbei an die Kapitalmarktherausforderungen oder an interne Transformationsprojekte. Die deutlich angestiegene Volatilität am Kapitalmarkt, nicht zuletzt im Jahr 2022 im Zinsmarkt mit einem rasanten Zinsanstieg, oder auch die regulatorischen Herausforderungen, die mit dem Management von Solvency II und dem aktuellen EIOPA-Review einhergehen, stellen zweifelsohne erhöhte Anforderungen an das finanzielle Management von Lebensversicherungsunternehmen. Diese Situation wird durch interne IT Projekte erschwert, insbesondere durch die Ablösung oder den Umbau der in die Jahre gekommenen Bestandsführungssysteme, sowie durch einen starken Kostendruck.
Die größeren Herausforderungen liegen jedoch in der umfassenden Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Denn die Lebensversicherung ist leider durch eine gewisse Komplexität und Intransparenz geprägt. Einfachheit und intuitive Nutzung sind bei Apple die Königsdisziplin im Design. In der aktuariell geprägten Lebensversicherung jedoch waren das in der Vergangenheit nicht immer Leitprinzipien des Handelns. Entscheidend ist, hier die richtigen Impulse für eine grundlegende Weiterentwicklung des Geschäftsmodells zu setzen und hierbei nicht auf die bewährten Logiken der Vergangenheit zurückzugreifen. Peter Drucker hat es sinngemäß so ausgedrückt: „The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence – it is to act with yesterday´s logic“.
Verankerung der Veränderung: why, what und how
Um die Veränderung im Unternehmen umfassend inhaltlich und emotional („im Herzen der Menschen“) zu verankern, bietet sich das von Sinek entwickelte Framework an. Die folgende Abbildung stellt die simple und gleichzeitig zielführende Logik dar:

Zu Beginn eines Transformationsprozesses ist es entscheidend, dass Unternehmen sich intensiv mit dem eigenen „Why“, dem Grund für ihre Existenz („Warum gibt es uns“?) beschäftigen. Das „Why“ stellt den Nordstern für den eigenen Transformationsprozess dar und liefert der gesamten Unternehmung eine klare Orientierung. Sinek weist sodann auf die Notwendigkeit hin, diesen purpose in Form eines klaren Strategieprogramms (das „What“) herunterzubrechen. Das „What“ stellt somit das inhaltliche Handlungsprogramm dar, das in eine Umsetzungsplanung mündet und mit klassischen KPI im Sinne des OKR-Ansatzes (Fokussierung auf outcome und key results) in bezug auf die Umsetzung verfolgt wird.
Neben dem „Why“ und „What“ ist es gleichermaßen entscheidend, sich die Frage zu stellen, wie die Vision und Strategie eines Unternehmens in der Unternehmens- und Führungskultur verankert wird. In einer von Heidrick & Struggles durchgeführten Studie bestätigten 82% der insgesamt 500 befragten CEOs, dass die Unternehmenskultur eine Kernpriorität darstellt. Unternehmen sollte sich daher intensiv mit der Frage beschäftigten, welche Implikationen sich aus der Vision und Strategie für die Führung und Unternehmenskultur ergibt und wie sich dieses im Alltag konkret manifestiert.
Diese Basis sollte so stark sein, dass sie das gesamte Unternehmen durch die unsichere Phase der strukturellen und prozessualen Anpassungen trägt, die mit der Einführung agiler Skalierungsformate verbunden ist. Unternehmen, die demgegenüber sehr früh in der Transformation mit den Hebeln „Prozesse und Strukturen“ starten, sehen sich vieler Beharrungskräfte im Unternehmen ausgesetzt – was normal ist, denn wir Menschen schützen uns vor dem Verlust von Beziehungen, Bindungen und suchen den Schutz der Gruppe. Am Ende sollten wir uns bewusst sein, dass Unternehmen soziale Systeme sind, in denen sich in stabilen Zeiten viele menschliche Dramen, Emotionen und Ängste Tag für Tag reproduzieren. In Zeiten der Transformation werden diese Emotionen und Ängste um ein Vielfaches verstärkt und blockieren – oftmals unbewusst - unser individuelles und kollektives Handeln. Hier setzt die Transformation an und kann – richtig gemacht – viel bewirken.