
Zukunftsmarkt Arbeitskraftabsicherung
Hans-Joachim Schütt
In den letzten Jahren haben immer mehr Lebensversicherer die Berufsunfähigkeitsversicherung als ein interessantes und ertragreiches Geschäftsfeld identifiziert. Im Ergebnis ist ein deutlicher Preisverfall in den BU Prämien erkennbar: Auf Basis des Durchschnittspreises der Top 20 Marktteilnehmer für 1.000 Euro BU Absicherung ist dieser Preisverfall teilweise schon signifikant, wie die folgende Grafik exemplarisch für die beiden Berufsgruppen Bankkaufmann und Ingenieur (Elektro) verdeutlicht:

Die Grafik zeigt, dass der Preis für die BU-Absicherung eines Elektro-Ingenieurs in den vergangenen 14 Jahren sich nahezu halbiert hat bzw. beim Bankkaufmann um 1/3 absackte, wobei zu berücksichtigen ist, dass aufgrund gegenläufiger Faktoren, wie rückläufige Zinsentwicklung und Leistungsverbesserungen im Produkt, ein Preisanstieg zu erwarten gewesen wäre. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Marktintensität deutlich zugenommen hat: einerseits ist die Anzahl der Marktteilnehmer stark gestiegen, andererseits liegt der aktuelle re-pricing Zyklus im Markt unter zwei Jahren. In Summe führt dieses zu Margendruck für alle Marktteilnehmer.
Um sich diesem Wettbewerbs- und Margendruck in Teilen zu entziehen, ist es sinnvoll, das eigene BU Produkt stärker auf bestimmte Zielgruppen auszurichten, bei denen einerseits das jeweilige Unternehmen einen Marktzugang hat und andererseits die Zielgruppe selber über eine entsprechende Größe und Wachstumspotential verfügt. In der Vergangenheit sind solche Zielgruppenansätze in der BU schon verfolgt worden, beispielsweise bei Schülern und Studenten oder auch im öffentlichen Dienst mit der sogenannten Dienstunfähigkeitsabsicherung (DU).
Um einen solchen Zielgruppen spezifischen Ansatz weiter zu verfolgen, ist es zunächst notwendig, die relevanten Wettbewerber für eine bestimmte Zielgruppe anhand eines Preis- und Leistungsscore zu vergleichen. Der Preisscore ist das Ergebnis einer gewichteten Rangermittlung über die Berufe einer bestimmten Zielgruppe mit einer normierten Eintrittsalter-/Endalter-kombination von 30 bzw. 67 Jahren für die jeweiligen Wettbewerber. Demgegenüber ermittelt der Leistungsscore auf Basis einer Bewertung der relevanten BU-Leistungsmerkmale , u.a. Morgen & Morgen sowie Franke & Bornberg, gewichtet in ihrer Relevanz nach Rückmeldung von Vertriebspartnern. Das Ergebnis wird als Basis für die weitere Optimierung in sogenannten Preis-Leistungsvergleichen zusammengefasst (hier am Beispiel der Gesundheitsberufe exemplarisch dargestellt):

Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit in der Positionierung des BU Produktes. Neben selektiven preislichen Optimierungen sollten Differenzierungen eher in den Leistungsmerkmalen erfolgen, die – richtig gemacht – in der Regel eher geringere Auswirkungen auf die best-estimate Leistungen haben. So können Verbesserungen im Leistungsscore über Zielgruppen-spezifische Anpassungen der Leistungsmerkmale erreicht werden, z.B. Gleichstellung von Projektleitung (auch in agilen Organisationsformationen) mit der klassischen disziplinarischen Führung oder die Identifikation von Nach-Versicherungsgarantien bei berufsspezifischen Anlässen (z.B. Ärzte, Angestellte / Beamte im öffentlichen Dienst).
Neben diesen harten Leistungsmerkmalen bestehen weitere Differenzierungen im Bereich der Prävention oder einer beschleunigten Rehabilitation („back to work“ Ansätze), wo auch der Lebensversicherer nicht nur durch finanzielle Leistungen, sondern auch über konkrete direkte Unterstützung einen wichtigen Beitrag leisten kann und sich somit vom Wettbewerb differenzieren kann, z.B. Einbindung von BetterDoc oder Ansätze wie diese in Südafrika sehr erfolgreich unter der Marke Vitality durch den Versicherer Discovery verfolgt werden. Diese Angebote haben zwei Vorteile: einerseits verbessert sich langfristig die Ertragsmarge durch eine Reduktion der Leistungsausgaben, andererseits kommt es zu einer stärkeren Kundenbindung, da gerade die Präventionsmaßnahmen von allen Kunden positiv wahrgenommen werden.
Eine weitere Stoßrichtung der Marktdifferenzierung liegt auch in der Identifikation von Zielgruppen-spezifischen Leistungsauslösern, die vom Kunden leicht nachvollzogen werden können. Hier können BU Versicherer auch von den Leistungsauslösern in der Grundfähigkeit lernen. Solche Leistungsauslöser können für bestimmte Zielgruppen in die BU Absicherung aufgenommen werden, zB die fehlende Fähigkeit, G26 Atemschutzgeräte zu tragen.
Im Fazit kann festgehalten werden, dass infolge des hohen Preiswettbewerbs ein Zielgruppen-spezifisches Vorgehen ein Ansatzpunkt für eine nachhaltigere Marktdifferenzierung darstellen kann. Hierfür sind Zielgruppen-spezifische Leistungsmerkmale zu identifizieren, gekoppelt mit „customer engagement“ Ansätzen im Bereich der Prävention und Rehabilitation (back-to-work). Aufgrund der Wettbewerbsintensität in der BU werden mit Sicherheit weitere Innovationen in den nächsten Jahren hier in den Markt drängen.