
Open Insurance als Chance für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells
Open Insurance bietet Versicherern und InsurTechs deutliche Chancen für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells und damit für die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Wo steht die Branche, was sind Veränderungstreiber und Rahmenbedingungen? Eine Bestandsaufnahme.
Der Gedanke einer offenen Welt, in der jedes Individuum auf sämtliche Daten zurückgreifen kann, wird zunehmend beliebter. Doch warum sollten beispielsweise Versicherungsunternehmen Daten teilen? Verlieren sie dann nicht mühsam geschaffene Wettbewerbsvorteile? Nicht unbedingt: Durch das Denken und Handeln in (digitalen) Ökosystemen nutzen sie Daten im Sinne von Kunden und Kundinnen. Sie optimieren ihre Prozesse, verbessern die interne Datenqualität, verringern Transaktionsaufwände und entwickeln vor allem neue Geschäftsmodelle.
Open Insurance als Teil von Open Finance
Die aus (dem Teilen von) Daten resultierenden Mehrwerte sind dem Finanzdienstleistungssektor nicht mehr fremd. Open Banking hat es bereits vorgemacht; die Richtlinie PSD 2 fördert die Entwicklung innovativer und nutzerfreundlicherer Zahlungsmöglichkeiten und sorgt zugleich für eine erhöhte Transaktionssicherheit sowie einen verbesserten Verbraucher:innenschutz.
Open Insurance ist der nächste Schritt hin zu Open Finance, einem vernetzten digitalen Finanzökosystem. Open Insurance beschreibt den offenen und standardisierten Austausch von versicherungsbezogenen persönlichen und nicht-persönlichen Daten mithilfe von (offenen) Schnittstellen (APIs) sowie definierten Prozessstandards. Im Fokus stehen hierbei die Nutzer:innen, die als „Datensouveräne“ selbst entscheiden, ob und wie sie ihre Daten zur Verfügung stellen. Zentrale Faktoren sind also Offenheit, Standardisierung und Kunden- sowie Kundinnenzentrierung.
Status quo
In der Versicherungswelt in Deutschland gibt es jedoch noch keine konkrete Regelung zur Öffnung von Daten für Dritte. Gleichwohl forciert die nationale wie internationale Gesetzgebung verstärkt eine branchenübergreifende Öffnung von Datenschnittstellen, um somit auch einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Außerdem wird dies durch verschiedene Initiativen vorangetrieben, exemplarisch sind hier der BiPRO e. V. oder der FRIDA e. V. zu erwähnen. Ein Blick ins Ausland hilft hier: Bei der Singapore Financial Data Exchange (SGFinDex) handelt es sich um die erste öffentliche digitale Infrastrukturplattform für Finanzdaten, die eine nationale digitale Identität sowie ein zentral gemanagtes, online Zustimmungssystem verwendet, um den Bürgern von Singapore Zugang zu ihren Finanzen auf einer einheitlichen Basis zu gewähren. Drei wichtige Erfahrungen konnten hierbei in den letzten Jahren gesammelt werden: (i) die Umsetzung von Open Finance ist abhängig vom Reifegrad der zugrundeliegenden technologischen Plattform, (ii) es ist entscheidend, dass alle Akteure einen kollaborativen und gemeinsamen Ansatz verfolgen und (iii) der langsame Aufbau der Plattform durch ein sukzessives Onboarding neuer Finanzplayer ist entscheidend.
Veränderungstreiber
Open Insurance ist sicherlich kein temporäres Phänomen, sondern wird sich in den nächsten Jahren, vergleichbar zum Banking, weiter ausbreiten und zu neuen Produkten, Services und Geschäftsmodellen führen. Übergeordnete Treiber und Einflussgeber sind insbesondere der Markt und damit verbundene Erwartungen der Kundinnen und Kunden, wie man nicht zuletzt am Erfolg von PSD 2 sieht. Auch der gesetzliche und regulatorische Druck aus Europa ist hierbei zu nennen: Aus der European Strategy for Data leitet sich eine Data Finance Strategy der EU-Kommission ab. EIOPA griff dies 2021 mit einem Discussion Paper zu Open Insurance auf, in dem Mechanismen zum Datenaustausch im Sinne von Open Insurance eindeutig befürwortet werden.
Die Datenschutzgrundverordnung forciert den Zugang zu Daten ebenfalls. Die Erfüllung dieser Norm kann zwar mit einem hohen Aufwand zur Vorhaltung kompakter Informationssicherheits- und Datenschutzmanagementsysteme verbunden sein, ist jedoch tendenziell eher ein Booster für datengetriebene Innovation und Open Insurance als ein Hemmnis.
Nicht zuletzt befördern auch vielversprechende, innovative Anwendungsfälle die Verbreitung von Open Insurance, laut EIOPA Discussion Paper vor allem in den Bereichen Schadensmanagement, Pricing und Underwriting, (Post) Sales und Vertrieb. Konkretere Use Cases könnten sich beispielsweise im Bereich des übergreifenden Rentencockpits oder bei parametrischen Versicherungen entwickeln. Auch in den USA gibt es erste Anwendungsbeispiele, u. a. in Bezug auf Naturkatastrophen, Altersvorsorge, Gesundheitssystem und Kfz-Versicherung. Diese Use Cases gilt es weiterzuentwickeln.
Fazit
Aktuell ist Open Insurance vor allem noch eine Vision, die der Förderung, Konkretisierung und (Weiter-) Entwicklung bedarf. Die Idee dahinter ist vielversprechend: Eigene Wertschöpfungsketten für die Digitalisierung öffnen und mit neuen Produkten sowie Services Mehrwerte generieren. Für Kunden und Kundinnen, aber auch für das eigene Unternehmen.
Fin- und InsurTechs können noch effektiver relevante Elemente der Wertschöpfung bespielen, sich mit innovativen Plattformen positionieren und Teil eines digitalen Ökosystems werden. Und gerade Versicherer können sich als vertrauenswürdige und sichere Marktteilnehmer für Datenanalyse und Datenaggregation positionieren. Neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle dank Aggregation und Analyse von Finanz- und Versicherungsdaten, umfassende Beratung von Kunden und Kundinnen dank Datentransparenz und -vollständigkeit – die Chancen sind vielfältig. Nun gilt es, sie auch zu nutzen.